Obstipation beim Baby – erkennen, beraten, begleiten

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Säuglingsentwicklung Stuhlgang & Verdauung
Obstipation beim Baby – erkennen, beraten, begleiten

Die akute und die chronische Obstipation gehören zu den häufigsten abdominellen Erkrankungen im Kindesalter1 und sind auch für Hebammen ein häufiges Thema in der Beratung. Dabei ist eine differenzierte Betrachtung essenziell, da sowohl harmlose physiologische Auslöser als auch behandlungsbedürftige funktionelle Störungen oder organische Ursachen vorliegen können.

Was ist Obstipation?

Von Obstipation spricht man, wenn ein Kind über mehr als zwei Wochen einen erschwerten, harten oder schmerzhaften Stuhlgang hat, der vom gewohnten Muster abweicht. Dauern die Beschwerden länger als acht Wochen, handelt es sich um eine chronische Obstipation.2

Bei über 90 % der Kinder über einem Jahr ist die Verstopfung funktionell. Bei Säuglingen kann jedoch häufiger eine organische Ursache vorliegen, die mit ernsthaften Folgen einhergehen kann. Deshalb ist es wichtig, auf Warnzeichen in der Anamnese und Untersuchung zu achten.2 Die Prävalenz der Obstipation bei Kleinkindern ist national sehr unterschiedlich, scheint über die letzten Jahrzehnte anzusteigen, möglicherweise als Folge der veränderten Lebens- und Ernährungsgewohnheiten.1

Chronische Obstipation beginnt oft früh – teils schon im Kleinkindalter – und kann bis ins Erwachsenenalter bestehen. Eine frühzeitige Erkennung und Betreuung sind daher von wesentlicher Bedeutung – auch schon im Wochenbett oder bei den ersten Entwicklungsgesprächen – wie die S2k-Leitlinien zur funktionellen (nicht-organische) Obstipation und Stuhlinkontinenz im Kindes- und Jugendalter empfiehlt.1,3

Was ist normal?

Die Stuhlfrequenz ist im Säuglingsalter sehr variabel. Gestillte Säuglinge bis zur 15. Woche haben häufigeren Stuhlgang als Babys, die mit Formula ernährt werden – sie können bis zu 23-mal pro Woche Stuhl entleeren, es kann aber auch deutlich weniger sein. Nicht gestillte Babys haben durchschnittlich 13,7-mal wöchentlich Stuhlgang. Auch ein Intervall von zwei Tagen gilt dabei noch als normal. Umso älter die Kinder werden, umso seltener erfolgt die Defäkation.4

Entscheidend ist nicht so sehr die Häufigkeit, sondern ob der Stuhlgang schmerzhaft, sehr hart oder mit starkem Pressen verbunden ist. Solange die Kinder keine Beschwerden oder klinische Auffälligkeiten haben, der Bauch flach und weich ist und Trinkverhalten und Gedeihen dem Alter entsprechen, kann man auch bei seltenem Stuhlgang noch nicht automatisch von einer Obstipation ausgehen.1

Mögliche Ursachen

Die Ursachen einer Obstipation sind meist funktioneller Natur. Vor allem bei einer Ernährungsumstellung, wie beim Übergang von Muttermilch auf Säuglingsnahrung, kann eine vorrübergehende Obstipation auftreten. Aber auch eine geringe Flüssigkeitszufuhr, psychosoziale Stressoren und auch eine genetische Disposition zu funktionellen gastrointestinalen Störungen können Ursachen sein.4,5

Obstipation
Bristol Stuhlformen

Bristol-Stuhlformen-Skala

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Erste Schritte in der Beratung

Im Mittelpunkt steht die Anamnese. Dabei sollten Fragen zum Stuhlverhalten, zur Ernährung, zum Trinkverhalten und zur allgemeinen Entwicklung gestellt werden. Ein Stuhlprotokoll über mehrere Tage hilft, Muster und Auffälligkeiten zu erkennen und die Situation zu beurteilen und über die weitere Therapie zu entscheiden. 

Auch die Anwendung der Bristol-Stuhlformen-Skala kann bei der Einschätzung hilfreich sein.7 Sie unterstützt dabei, Stuhlmuster objektiv zu erfassen und Veränderungen wie Obstipation oder Durchfall frühzeitig zu erkennen. Insbesondere im Rahmen der Beratung und Diagnostik bei funktionellen gastrointestinalen Störungen ist die Skala ein etabliertes und allgemein anerkanntes Hilfsmittel.

Behandlungsempfehlungen

Die ESPGHAN/NASPGHAN Leitlinien empfehlen bei funktioneller Obstipation eine Kombination aus diätetischen Maßnahmen, Verhaltenstherapie und, falls erforderlich, eine medikamentöse Behandlung.8 

Bei gestillten Säuglingen genügt oft eine Anpassung des Stillrhythmus oder häufigeres Anlegen. Denn Muttermilch enthält von Natur aus präbiotisch wirksame Oligosaccharide (HMOs), die eine gesunde Darmflora und die Darmmotilität fördern. Formula-ernährte Säuglinge können von speziell zusammengesetzten Nahrungen profitieren – z. B. solchen mit erhöhtem ß-Palmitat, Magnesium oder löslichen Ballaststoffen wie Galakto- und Fruktooligosacchariden (GOS/FOS). Studien zeigen, dass solche Nahrungen die Stuhlkonsistenz verbessern und das Stuhlverhalten normalisieren können.9-12

Wichtig: Bei schwerwiegender Obstipation kann der Einsatz von Abführmitteln erwogen werden. Diese sollten bei Säuglingen nur unter ärztlicher Aufsicht und Empfehlung eingesetzt werden.2

Eltern stärken

Obstipation kann für Eltern belastend sein – insbesondere, wenn sie mit Unruhe, Schmerzen oder Appetitlosigkeit des Babys einhergeht. Eine empathische Gesprächsführung, die Sorgen ernst nimmt und sachlich informiert, ist zentral, damit der Behandlungserfolg sichergestellt wird. Gut ist es, wenn Eltern wissen: Eine funktionelle Obstipation ist häufig – und meist gut behandelbar. 

Die Behandlung braucht jedoch Zeit. Oft dauert es Wochen, bis sich eine stabile Darmregulation einstellt. Das Durchhalten lohnt sich, denn chronische Obstipation kann sich bis ins Schulalter oder darüber hinaus fortsetzen. 

Aufgepasst: Wenn die Verstopfung länger anhält, das Baby Schmerzen hat oder Blut in der Windel zu sehen ist, sollten die Eltern unbedingt die Kinderärztin oder den Kinderarzt kontaktieren.