Der erste Zahn – mehr als nur ein Durchbruch

Das Zahnen gehört zu den ersten größeren Entwicklungsschritten im Leben eines Babys – und ist doch so viel mehr als nur ein biologischer Vorgang. Der emotional aufgeladene Abschnitt wird von Tränen, unruhigen Nächten und Fragen verunsicherter Eltern begleitet. Eine wissenschaftlich fundierte Beratung und Betreuung durch die Hebamme stellen daher eine wichtige Unterstützung der Eltern dar.
Wann kommt der erste Zahn?
Die ersten Zähnchen sind in der Regel die unteren mittleren Schneidezähne. Sie zeigen sich meist zwischen dem sechsten und zwölften Lebensmonat. Manchmal geht es aber auch früher los, manchmal deutlich später. Auch wenn Eltern sich oft sorgen, wenn ihr Säugling noch keinen Zahn hat: Ein verspäteter oder besonders früher Zahndurchbruch ist unbedenklich. [1] Bis etwa zum dritten Geburtstag ist die vollständige Milchzahnreihe mit insgesamt 20 Zähnen abgeschlossen. Eine grobe Orientierung für den zeitlichen Ablauf bietet das folgende Schema:

Ab dem zweiten Lebenshalbjahr werden viele körperliche Veränderungen dem Zahnen zugeschrieben: vermehrter Speichelfluss, Kaudrang, Schlafstörungen, Unruhe, weicher Stuhl. Die Studienlage zeigt allerdings, dass sich viele Beschwerden gar nicht eindeutig mit dem Zahnen in Verbindung bringen lassen. Vor allem bei Fieber ist die Datenlage unklar. Hohes Fieber oder starker Durchfall sprechen eher für einen Infekt und sollten kinderärztlich abgeklärt werden!1,2
Was hilft wirklich?
Zahnen ist ein sensibles Thema, zu dem viele Mythen und Halbwahrheiten existieren. Durch viele schlaflose Nächte steigt außerdem der Wunsch der Eltern, endlich etwas zu finden, das beim Umgang mit den Symptomen hilft. Zunächst sind daher eine offene Kommunikation und Verständnis der Hebamme gegenüber den Problemen der Eltern von Bedeutung. „Ich verstehe, dass das gerade sehr anstrengend ist.“ und ein einfühlsames „Viele Babys sind in dieser Phase unruhiger – es gibt aber gute Möglichkeiten, zu lindern.“ sind Sätze, die Eltern Mut machen.
Zur Unterstützung des Zahnentwicklungsprozesses können diese Hilfsmittel eingesetzt werden:
- Beißringe (am besten gekühlt, aber nicht gefroren)
- Sanfte Massage des Zahnfleischs mit einem sauberen Finger, einem Fingerling mit Noppen oder einem feuchten Waschlappen
- Schmerzstillende Gels ohne Zucker
Nicht empfohlen werden hingegen diese Maßnahmen:
- Bernsteinketten: Es besteht Erstickungs- und Strangulationsgefahr.3
Gels mit Alkohol, Lidocain oder Benzocain4
Auch homöopatische Zahnungskügelchen werden oft eingesetzt, deren Wirkung ist jedoch nicht belegt.

Für die Prävention von Karies ist eine Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten, Kinderärzten und Hebammen erforderlich. 2019 wurde der Leistungskatalog der GKV durch drei zusätzliche zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kleinkinder bis zum vollendeten 33. Lebensmonat erweitert.7 So können Eltern schon früh eine zahnärztliche Beratung in Anspruch nehme und wertvolle Tipps zur Zahnpflege bei Kleinkindern einholen.
Das erste Zähneputzen

Die frühkindliche Karies (ECC, Early Childhood Caries) ist ein zentrales Problem bei Kleinkindern. Etwa 10–15 % der unter 3-Jährigen sind betroffen, in sozialen Brennpunkten zeigt sich eine Prävalenz von bis zu 40 %. Karies ist daher die häufigste chronische Erkrankung im Vorschulalter – mit steigender Tendenz.5 Ab dem Durchbruch des ersten Zahns sollten Eltern die Zähne ihrer Kinder daher zweimal täglich reinigen – idealerweise morgens und abends. [6] Eine weiche Kinderzahnbürste mit kleinem Kopf, Fingerzahnbürste oder ein Wattestäbchen reichen zu Beginn aus. Wichtig ist die Routine: Das Baby gewöhnt sich so früh an das tägliche Zähneputzen. Ab dem zweiten Lebensjahr kann die Putztechnik nach dem KAI-Prinzip erweitert werden: Kauflächen – Außenflächen – Innenflächen. Auch die Zahngesundheit der Eltern zählt. Denn Karies ist übertragbar: Löffel ablecken, Schnuller in den Mund nehmen oder das Teilen von Zahnbürsten kann schädliche Bakterien auf das Kind übertragen.1
Referenzen
Lessky-Höhl, Renate. Wenn die ersten Zähne kommen…Interview mit DDr. Peter Voitl, Paediatr Paedolog. Austria, 2018
Wake M et al. Teething and tooth eruption in infants: a cohort study. Pediatrics 2000; 106:1374-1379.
AAP Committee on Injury, Violence, and Poison Prevention. Policy Statement: Prevention of choking among children. Pediatrics 2010; 125(3):601-607.
FDA. FDA Drug Safety Communication: Benzocaine and serious health risks in infants. 2018, abrufbar unter https://www.fda.gov/drugs/postmarket-drug-safety-information-patients-and-providers/safety-information-benzocaine-containing-products (letzter Zugriff: 13. Mai 2025)
DAJ. Epidemiologische Begleituntersuchung zur Gruppenprophylaxe. 2017, abrufbar unter: https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/b19/Epi_final_BB1801_final.pdf (letzter Zugriff 13. Mai 2025)
Netzwerk Gesund ins Leben. Empfehlungen Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter, abrufbar unter:https://www.gesund-ins-leben.de/fuer-fachkreise/handlungsempfehlungen/k… (letzter Zugriff 13. Mai 2025)
KZBV und Bundeszahnärztekammer. Praktischer Ratgeber für die zahnärztliche Praxis. Frühkindliche Karies vermeiden. 2021, abrufbar unter https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/b16/ecc-ratgeber.pdf (letzter Zugriff 13. Mai 2025)
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