HMO als Zusatz in der Säuglingsnahrung: Wo stehen wir heute?

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Humane Milch-Oligosaccharide Milchnahrung & Beikost
HMO Säuglingsnahrung

Stillen ist die beste Nahrungsquelle im Säuglingsalter und wird mit einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht. Dies hängt zum Großteil mit den Humanen Milch-Oligosacchariden (HMO) in der Muttermilch zusammen.

Die strukturelle Vielfalt und individuell unterschiedliche Zusammensetzung der HMO sind eng mit ihrer Biosynthese und mütterlichen Faktoren wie Genetik, Gesundheitszustand, Umweltfaktoren und Ernährung verbunden.16 Nicht immer ist (ausschließliches) Stillen möglich. Um das gesundheitsfördernde Potential der HMO auch in der Säuglingsnahrung zu nutzen, sei es als Ersatz oder als Nahrungsergänzung, wurden mit biotechnologischen Methoden spezifische HMO-Analoga entwickelt, deren Strukturen denen in der Muttermilch entsprechen.

HMO – Aufbau und Metabolismus 

Bislang wurden mehr als 150–200 verschiedene HMO charakterisiert.1,2 Nahezu alle HMO basieren auf Lactose. Aus den Verknüpfungen mit Galactose, Fucose, N-Acetylglucosamin und/oder Sialinsäure entstehen in der Milchdrüse HMO. Die komplexen Strukturen mit spezifischen Verknüpfungen bilden die Grundlage für die Multifunktionalität der HMO. Eine wichtige Rolle spielt dabei vermutlich ihre molekulare Ähnlichkeit mit Glykanen, die an der Oberfläche des Zellepithels an der Steuerung von Zellprozessen beteiligt sind.2,3 

Mehrere Gramm HMO pro Tag werden mit der Muttermilch vom Säugling aufgenommen. Sie werden durch menschliche Verdauungsenzyme nicht abgebaut, sondern gelangen in den unteren Darmtrakt. Dort dienen sie als Nahrung für das Mikrobiom und fördern dessen Reifung. Zudem tragen HMO dazu bei, Infektionen zu verhindern, indem sie z. B. das Anheften von Pathogenen an das Darmepithel direkt oder durch Modifika tion der Glykanstrukturen an der Zelloberfläche hemmen. Etwa 1–2 % der HMO werden über den Urin der Säuglinge ausgeschieden. Es wird davon ausgegangen, dass mehrere hundert Milligramm HMO pro Tag im Blut der Säuglinge zirkulieren, so dass auch eine systemische antientzündliche oder infektionsprotektive Wirkung vermutet wird.2

HMO Kernstruktur

Abb. 1: Aufbau der HMO Kernstruktur und mögliche Modifikationen. (Adaptiert nach Kunz 2016)2

Studien zu spezifischen HMO-Mischungen in der Säuglingsnahrung 

Die Auswirkungen von mit HMO-Analoga angereicherter Säuglingsnahrung im Hinblick auf Verträglichkeit und Entwicklung der Kinder wurde in verschiedenen randomisiert kontrollierten Stu dien untersucht. Dabei unterschieden sich die Zusätze in der Anzahl und Zusammensetzung der HMO-Komponenten. Der Zusatz einer 2-HMO-Mischung (2’-FL und LNnT) zur Säuglingsnahrung erwies sich als sicher, gut verträglich und führte zu einem altersgemäßen Wachstum.4 Auch der Zusatz einer 5-HMO-Mischung: (2’-FL, DFL, LNT, 3’-SL, 6’-SL) zur Säuglings- und Kleinkindnahrung, die von Geburt bis zum 15. Monat gefüttert wurde, war sicher und unterstützte ein altersgemäßes Wachstum.5 Zudem verschob sich die Entwicklung des Darmmikrobioms in Richtung des Mikrobioms eines gestillten Kindes. Es kam zu einem Anstieg von Bifidobakterien, insbesondere B. infantis und einer Reduktion von toxischen Clostridioides difficile.6,7 Bei per Kaiserschnitt geborenen Säuglingen konnte durch die Supplementierung mit dieser 5-HMO- Mischung eine Verschiebung des Bakterienspektrums im Mikrobiom in Richtung auf das eines gestillten, vaginal geborenen Säuglings festgestellt werden.8

Weitere klinische Studien mit ähnlichen 5-HMO-Zusammensetzungen, ohne DFL und mit 3’-FL (2’-FL, 3’-FL, LNT, 3’-SL, 6’-SL), beobachteten bei gesunden Säuglingen ebenfalls ein normales Wachstum, eine gute gastrointestinale Toleranz und eine sichere Anwendung.9,10 

Konzept der synergetischen Ernährung in der Säuglingsnahrung 

In der Kombination können B. infantis (Probiotikum) und HMO (Präbiotikum) ihre positiven Effekte auf die Entwicklung der Kinder gegenseitig verstärken.11,12 Um diesen synergetischen Effekt besser verstehen zu lernen, beschäftigen sich aktuelle Untersuchungen mit dem kombinierten Zusatz aus HMO Mischungen und Bifidobakterien in Säuglingsnahrungen.

In einer kontrollierten randomisierten Studie wurden die Effekte der Zugabe einer altersgerechten symbiotischen Mischung, bestehend aus sechs HMO (2’-FL, DFL, 3’-FL, LNT, 3’-SL, 6’-SL) und zwei Probiotika (B. lactis und B. infantis), zu partiell hydrolysierter Säuglingsnahrung untersucht. Erste Ergebnisse zeigten eine gute Verträglichkeit, ein altersgemäßes Wachstum13, einen positiven Einfluss auf die Ausbreitung nützlicher Bifidobakterien und einen Rückgang von Clostridioides difficile.14 In weiterführenden Analysen konnten eine Absenkung des fäkalen pH-Wertes und ein positiver Effekt auf die Darmreifung beobachtet werden.12,15

Im Fokus der aktuellen Forschungen stehen die Erfassung des gesamten Potentials der bioaktiven HMO und deren langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit.