Gibt es den einen richtigen Zeitpunkt für die Einführung von Beikost bei Frühgeborenen?

Die Beikosteinführung bei Frühgeborenen stellt einen wichtigen Schritt in der Entwicklung dar. Nationale und internationale Fachgesellschaften empfehlen für reifgeborene Kinder eine schrittweise Eingewöhnung der Beikost zwischen der 17. und 26. Woche.1,2 Für Frühgeborene existieren aktuell keine Leitlinien zum optimalen Start oder zur idealen Zusammensetzung der Beikost.3
Frühgeborene haben aufgrund des notwendigen Aufholwachstums einen höheren Nährstoffbedarf als reifgeborene Babys.4 Nach einer gewissen Zeit reichen Mutter- oder Säuglingsmilch allein nicht mehr aus. Dennoch ist unklar, inwieweit der Zeitpunkt der Beikosteinführung die Aufnahme von Makro- und Mikronährstoffen und das Wachstum während des ersten Lebensjahres beeinflusst. Eine zu niedrige Proteinzufuhr kann zu Unterernährung führen, während eine zu hohe Zufuhr das Risiko für Übergewicht im späteren Leben erhöhen kann. Im Rahmen einer prospektiven, randomisierten Interventionsstudie3 wurde untersucht, wie sich der Zeitpunkt der Beikosteinführung auf das Wachstum von Frühgeborenen im ersten Lebensjahr auswirkt.
Die Studie verglich 2 Gruppen:
Frühe Beikosteinführung:
10. bis 12. Lebenswoche (korrigiertes Alter)
Späte Beikosteinführung:
16. bis 18. Lebenswoche (korrigiertes Alter)
Die Ergebnisse zeigten, dass der Zeitpunkt der Beikosteinführung keinen Einfluss auf die Entwicklung der Körpergröße hatte. Allerdings wurde eine schnellere Gewichtszunahme in der Gruppe mit der frühen Beikosteinführung festgestellt.3
In sekundären Analysen wurde auch die Nährstoffversorgung der Kinder im ersten Lebensjahr untersucht.4,5 Nach den Ergebnissen hatte der Zeitpunkt der Beikosteinführung keinen Einfluss auf den Ferritingehalt im Blut sowie die Aufnahme von Vitamin D, Calcium, Phosphor und Zink.
Während die Aufnahme von Calcium, Phosphor und Zink in beiden Gruppen ausreichend war4, zeigte sich jedoch in beiden Gruppen ein Eisendefizit, trotz einer Eisensupplementierung von ca. 4 mg/kg/Tag.6 Ebenfalls in beiden Gruppen entwickelten die Frühgeborenen
im Alter von ca. 6 Monaten (korrigiertes Alter) ein Vitamin D Defizit, trotz Supplementierung von 750 IE pro Woche.4
Bei Frühgeborenen ist daher auch nach Beikosteinführung die Supplementierung von Eisen und Vitamin D zu empfehlen und eine Anpassung der Supplementierung sollte angedacht und in weiteren Studien evaluiert werden.4–6 Die Ergebnisse dieser Studie, die keine signifikanten Unterschiede in Wachstum und der Versorgung mit wichtigen Nährstoffen von Frühgeborenen in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Beikosteinführung festgestellt hat, legen nahe, dass Kinderärzt:innen oder Allgemeinmediziner:innen ihre Empfehlungen zur Einführung von Beikost nicht primär auf den Zeitpunkt, sondern vor allem auf den neurologischen Entwicklungsstand des Säuglings stützen sollten.3,4
Fazit
Die Beikosteinführung bei Frühgeborenen sollte individuell bestimmt werden, wobei der neurologische Entwicklungsstand und die Reifezeichen hilfreich sein können:
- Das Kind zeigt Interesse am Essen.
- Das Kind kann Rumpf und Kopf für kurze Zeit selbständig oder auf dem Schoß gestützt kontrollieren.
- Der Zungenstoßreflex ist nicht mehr vorhanden.
- Die Auge-Hand-Mund-Koordination ist entwickelt: Das Essen kann angesehen, aufgehoben und selbständig in den Mund geführt werden.
Referenzen
1. Agostoni C et al. J. Pediatr. Gastroenterol. Nutr. 2008;46:99–110.
2. Fewtrell M et al. J. Pediatr. Gastroenterol. Nutr. 2017;64:119–132.
3. Haiden N et al. Nutrients. 2022;14:697.https://doi.org/10.3390/nu14030697
4. Gsoellpointner M et al. Front. Nutr. 2023;10:1124544. doi: 10.3389/fnut.2023.1124544
5. Thanhaeuser M et al. Nutrients. 2022;14:2732. https://doi.org/10.3390
6. Haiden N, Haschke F. Nutrients. 2023;15:2645. https://doi.org/10.3390
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