Frühe Ernährungsweise prägt die Mikrobiota

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Humane Milch-Oligosaccharide
Mikrobiota

Die ersten 1000 Tage im Leben eines Neugeborenen sind maßgeblich für die Entwicklung des Darmmikrobioms sowie die Entwicklung und Reifung des Immunsystems. Diese Systeme legen die entscheidenden Grundsteine für die Gesundheit im späteren Leben.1,2

Entwicklung des Darmmikrobioms 

Die Entwicklung des Darmmikrobioms ist ein dynamischer Prozess. Er beginnt mit der Geburt und dauert die ersten 2–3 Lebens jahre an. Die einzelnen Entwicklungsphasen sind bedeutsam für die Reifung eines stabilen widerstandsfähigen Mikrobioms. Eine zu schnelle Diversifizierung ist dagegen mit gesundheitlichen Risiken im früheren oder späteren Leben assoziiert.

Entwicklungsphasen 

Schon der erste Kontakt der Säuglinge während der Geburt mit Mikroben der Mutter und der Umwelt sind prägend. Mit welchen Bakterien sie dabei in Kontakt kommen, hängt stark vom Entbindungsmodus, vaginale Geburt oder Kaiserschnitt, und vom Gestationsalter ab.2 Bei Neugeborenen gehören fakultative Anaerobier, wie Streptokokken, Enterokokken, Staphylokokken und Enterobacterspp. zu den Pionierbakterien im Darm. Sie schaffen ein anaerobes Milieu für obligate Anaerobe, wie Bifidobakterien, Bacteroides, Clostridien und Eubacterium spp., die 1–2 Wochen nach der Geburt vorherrschen.2,3

Die Zusammensetzung des Darmmikrobioms in den ersten 6 Monaten wird besonders stark von der Ernährung beeinflusst. So überwiegen im Mikrobiom von gestillten Säuglingen Bifidobakterien, während bei Babys, die mit Säuglingsnahrung gefüttert werden, das Mikrobiom diverser ist.3

Im weiteren Verlauf der Entwicklung mit Einführung der festen Nahrung (ab 4. bis 6. Monat) kommt es zu einer umfassenden Veränderung des Darmmikrobioms. Zu Beginn dominieren noch Bifidobakterien, deren Konzentration jedoch kontinuierlich abnimmt, während die Diversität der Bakterienarten zunimmt. Insbesondere Bacteroides spp. und Clostridien vermehren sich. Das Mikrobiom des Säuglings nähert sich in seiner Charakteristik mehr und mehr der eines Erwachsenen an. Weitere Einflussfaktoren auf das Mikrobiom sind Gen-Umwelt-Interaktionen, Gestations alter, Entbindungsmodus, Krankenhausauf enthalte und Einnahme von Medikamenten (z. B. Antibiotika). Negative Einflüsse können zu einer Abnahme der Laktobazillen und Bifidobakterien und einer Zunahme der Clostridien führen, mit möglichen Folgen auf die Gesundheit des Verdauungssystems.2,3

Auswirkung des Stillens auf die Mikrobiomentwicklung

Mikrobiom

Verschiedene Studien konnten zeigen, dass Muttermilch mit ihrer hohen Konzentration an Humanen Milch-Oligosacchariden (HMO) in den ersten 6 Monaten die ideale Nahrung für die Entwicklung des Mikrobioms und des Immunsystems ist.1,5 Die HMO sind unverdaulich für den Säugling, dienen aber als Substrat für bestimmte nützliche Bakterien im Darm, insbesondere Bifidobakterien, die sich deutlich vermehren können.1,7 Die typische Dominanz von Bifidobakterien im Mikrobiom gestillter Säuglinge in den ersten Monaten scheint von großer Bedeutung für die Reifung des Immunsystems zu sein. Ein Mangel an Bifidobakterien wird mit einem erhöhten Risiko für autoimmune und atopische Erkrankungen sowie für Darmentzündungen im Kleinkindalter in Zusammenhang gebracht.3,5 Die Zusammensetzung der verschiedenen Bifidobakterien variiert je nach Fütterungsart und verändert sich mit dem Alter des Säuglings. So finden sich im Darm des gestillten Säuglings häufig Subspezies von Bifidobacterium longum (B. longum) wie das B. infantis, während B. adolescentis eher bei mit Säuglingsnahrung gefütterten Kindern zu finden ist. Änderungen in der Zusammensetzung der HMO in der Muttermilch während der ersten Lebensmonate führen zu Verschiebungen im Bifidum-Cluster. Nicht alle Bifidobakterien können die verschiedenen HMO gleich gut verwerten und abbauen. Bei B. breve oder B. bifidum erfolgt die HMO-Spaltung extrazellulär, so dass ein großer Anteil der Zuckerkomponenten (wie Glucose, Galactose, Fructose) frei- gesetzt wird, der auch anderen Bakterien zu Verfügung steht („crossfeeding“).6 Der effektivste Abbau erfolgt durch B. infantis, das eine Vielzahl an unterschiedlichen HMO in der Muttermilch verdauen kann.7 Da B. infantis über spezifische Transportproteine verfügt, erfolgt die Spaltung der HMO intrazellulär.3,8 Diese effiziente Form der Verwertung fördert das Wachstum von B. infantis im Darm gestillter Säuglinge. Beim Abbau der HMO entstehen Metabolite wie Acetat und Indoleacetat (IAA), Verbindungen, die zu einem stabilen Mikrobiom beitragen und die Immunreaktionen positiv beeinflussen.1