Vitamine und Mineralstoffe in der Schwangerschaft

Eine gute Nährstoffversorgung in der Schwangerschaft ist ein zentraler Beitrag zur Prävention von Komplikationen in der Schwangerschaft und Entwicklungsstörungen des Kindes. Hebammen können hier eine entscheidende Rolle spielen: Sie klären Schwangere über ihren veränderten Nährstoffbedarf auf und geben ihnen praktische Empfehlungen. Besonders im Hinblick auf die Prävention von Mangelzuständen und die frühzeitige Erkennung von Risiken sind aktuelle Kenntnisse über die wichtigsten Mikronährstoffe essenziell.
Physiologische Veränderungen und erhöhter Bedarf
In der Schwangerschaft steigen Energie- und Nährstoffbedarf deutlich an – allerdings nicht „für zwei“, sondern gezielt für das wachsende Kind, die Plazenta und die veränderten Stoffwechselprozesse im mütterlichen Organismus. Viele Mikronährstoffe werden in der Schwangerschaft vermehrt benötigt – etwa für Zellteilung, Blutbildung, Hormonhaushalt und Gewebsaufbau.
Im Besonderen in sensiblen Phasen wie dem ersten Trimester (Organogenese) oder dem dritten Trimester (fetales Längen- und Gewichtswachstum) ist die ausreichende Versorgung mit essenziellen Nährstoffen entscheidend.
Nährstoffe in der Schwangerschaft


Lebensmittel als Nährstoffquelle: Alltagsnah beraten
Neben einer gezielten Supplementation ist eine ausgewogene Ernährung die wichtigste Basis für die Nährstoffversorgung. In der Beratung hilft es, Schwangeren konkrete Beispiele für geeignete Lebensmittel zu nennen – auch, um Ängsten oder Unsicherheiten vorzubeugen.
Beispiele für alltagsnahe Quellen wichtiger Nährstoffe:
- Folsäure: Grünes Blattgemüse (z. B. Spinat, Rucola), Brokkoli, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte
- Eisen: Rotes Fleisch, Hirse, Linsen, Haferflocken – am besten mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln kombinieren (z. B. Orangensaft, Paprika)
- Jod: Seefisch, Milchprodukte, jodiertes Speisesalz – ergänzende Supplementation empfohlen
- Vitamin D: Nur begrenzt über die Ernährung (fetter Fisch, Eigelb) – Hauptquelle ist körpereigene Bildung durch Sonnenlicht
- Vitamin B12: Nur in tierischen Lebensmitteln enthalten – bei veganer Ernährung muss supplementiert werden
- Kalzium: Milchprodukte, kalziumreiche Pflanzenmilch, Brokkoli, Mandeln
- DHA: Fetter Seefisch (z. B. Lachs) oder veganes Algenöl
Diagnostik und Blutuntersuchungen im Schwangerschaftsverlauf

Hebammen können im Rahmen der Schwangerenvorsorge (nach § 24d SGB V) die Bestimmung von Laborwerten anregen. Die Blutabnahme erfolgt in der Regel durch eine Ärztin oder einen Arzt. Wichtige Parameter:
- SSW 8 bis 12: Erstuntersuchung inkl. Hämoglobinwert (Hb)
- Ab SSW 24: Kontrolle des Hb-Werts – liegt dieser unter 11,0 g/dl, sollte Ferritin zusätzlich bestimmt werden
Bei Risikogruppen (z. B. Vegetarierinnen, Veganerinnen, Mehrlingsschwangerschaft, Adipositas):
ggf. Vitamin D-Spiegel
Vitamin B12
Jod- und TSH-Wert, falls Schilddrüsenerkrankungen vorliegen
Beratungsansätze für Hebammen
Die Anamnese zur Ernährung und Nahrungsergänzung kann Bestandteil jedes frühen Beratungsgesprächs sein – idealerweise im Erstkontakt oder bei der Vorsorge ab SSW 10. Dabei helfen Fragen wie:
- Wie sieht deine derzeitige Ernährung aus? (z. B. vegetarisch/vegan)
- Nimmst du bereits Nahrungsergänzungsmittel?
- Gibt es bekannte Blutwerte oder Mangelzustände?
- Bestehen besondere Belastungen oder Vorerkrankungen?
Typische Probleme
Unzureichendes Wissen über Ernährung, Mehrbedarf in der Schwangerschaft und sinnvolle Ergänzungen à alltagsnahe Aufklärung auf Augenhöhe
Zu später Beginn der Folsäure-Einnahme à Empfehlung der Fachgesellschaften für höhere Dosierung beachten
Verzicht auf Jod aus Sorge vor Überdosierung (Fehlannahme) à Aufklärung über Risiken der Jod-Unterversorgung
Unzureichendes Wissen über den Unterschied zwischen Hb und Ferritin und welche Rolle die Ernährung bei der Eisenversorgung spielt à praxisnahe Beratung
Einnahme hochdosierter „Kombi-Präparate“ ohne Rücksprache mit Fachpersonen à lieber gezielte Mono-Präparate statt „Alles in einem“, um gezielt auf Bedarf und Blutwerte reagieren zu können
Kommunikation in der Beratung
Hebammen nehmen in der Ernährungsberatung eine Brückenfunktion ein: wissenschaftlich fundiert, aber alltagsnah und individuell. Das Ziel ist es, mit realistischen Empfehlungen Überforderung zu vermeiden und durch passende Erklärungen und das gemeinsame Besprechen von Ernährung und Blutwerten, die Schwangere einerseits aufzuklären und sie gleichzeitig in ihrer Eigenverantwortung zu stärken

Referenzen
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Handlungsempfehlungen - Ernährung in der Schwangerschaft
https://www.dge.de/gesunde-ernaehrung/gezielte-ernaehrung/ernaehrung-in-schwangerschaft-und-stillzeit/handlungsempfehlungen-ernaehrung-in-der-schwangerschaft/ (zuletzt abgerufen am 02.06.2025) - World Health Organization. (2006). Guidelines on food fortification with micronutrients: Micronutrient requirements in pregnancy. Geneva: WHO.
- Remer T, Johner S, 2014. Kritischer Nährstoff Jod. Monatsschrift Kinderheilkunde. 162: 607–615
- Bundeinstitut für Risikobewertung (2014). Jod, Folat/Folsäure und Schwangerschaft. https://www.bfr.bund.de/cm/350/jod-folat-folsaeure-und-schwangerschaft.pdf (zuletzt abgerufen am 02.06.2025)
- Richter M, Boeing H, Grünewalf-Funk D et al (2016) Vegane Ernährung. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. Ernährung Umschau 63:92-102.
- Verbraucherzentrale: Nahrungsergänzungsmittel: Was Werbung verspricht – und was wirklich stimmt https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/nahrungsergaenzungsmittel-was-werbung-verspricht-und-was-wirklich-stimmt-107602 (zuletzt abgerufen am 02.06.2025)
Wenn Ihnen dieser Beitrag gefallen hat, könnten Sie auch interessiert sein an

Kolostrum – flüssiges Gold für den gesunden Start ins Leben
